Grupo Ocidental
Ganz im Westen der Azoren und Portugals liegt die Grupo Ocidental mit den westlichsten Siedlungen Europas. Sie ist klein, die Westgruppe, genau genommen besteht sie aus zwei Hauptinseln und einigen wenigen Inselchen, eher Felsbrocken im Atlantik. Von den restlichen Inseln der Azoren trennen sie mehr als 200 Kilometer, vom Festland etwa 1500 Kilometer. Eine der Inseln heißt Flores, die Insel der Blumen, die andere, ihr kleiner Nachbar, heißt Corvo.
Flores, die westlichste Insel der Gruppe, ist den Stürmen und Niederschlägen des Atlantischen Ozeans ungeschützt ausgesetzt. Sie ist die regenreichste der ohnehin nicht niederschlagsarmen Inseln der Azoren. Steile Klippen umgeben sie ebenso wie Untiefen und gefährliche Strömungen. All das klingt wenig einladend – wäre da nicht das grüne, blühende Herz der Insel. Nicht umsonst nämlich trägt Flores ihren Namen: vor allem Hortensien tauchen sie ab Juni monatelang in ein farbenprächtiges, duftendes Blütenmeer. Ganze Hecken wachsen wild an den Wegen und der Küste. Sie umrahmen die traditionellen niedrigen Steinhäuser, verstecken sich hinter Natursteinmauern oder trennen Felder und Weiden voneinander – ein Vergleich zu Irland liegt hier nahe. Übrigens: auf Flores versteht man neben Portugiesisch auch Französisch, was an der ehemaligen französischen Militärbasis liegt, die erst in den 1990ern aufgegeben wurde.
Dass Flores weder in ihrer Hauptstadt Santa Cruz das Flores noch außerhalb von ihr besondere Bauwerke oder andere von Menschenhand geschaffene Sehenswürdigkeiten aufweist, verzeiht man ihr gern angesichts der von der Natur geschaffenen Schönheit. So ist es auch kein Wunder, dass vor allem Wandertouristen die Insel seit ein paar Jahren für sich entdecken. Die schönsten Wege führen entlang alter Eselspfade, vorbei an beeindruckenden Basaltsäulen und heißen Quellen, steilen Küste und hohen Wasserfällen. Ihr Ziel ist in der Regel das Zentrum der Insel, der 914 Meter hohe erloschene Vulkan Morro Alto. Seine Umgebung steht unter Naturschutz und erinnert mit seinen sieben Kraterseen und engen grünen Tälern, seiner Vielfalt an Farben, Geräuschen und Düften an Erzählungen aus dem Dschungel Südamerikas. Die schönsten Wanderstrecken finden sich vor allem im Westen der Insel, die ideale Zeit dazu liegt zwischen Ende Mai und Ende August.
Aber nicht nur wanderfreudige Besucher kommen auf Flores voll auf ihre Kosten. Der Golfstrom sorgt für angenehm warmes Wasser, aber auch die Kraterseen und die heißen Quellen laden im milden Sommer zum Baden und Schwimmen ein. Auch Angler schätzen den warmen Meeresstrom und die nahe beieinander liegenden Seen: hier gibt es Fisch in Hülle und Fülle, ein wahres Anglerparadies. Eine etwas unrühmliche Geschichte spielt in diesem Zusammenhang der Walfang: seit dem 19. Jahrhundert startete man u.a. von Flores aus, um die riesigen Meeressäuger zu erjagen. Lange Zeit sicherte die Waljagd das Überleben der Inselbewohner.
Die Ostküste von Flores ist für ihre ober- und unterirdischen Grotten bekannt. Einst zogen sie Seeräuber auf der Suche nach einem Unterschlupf an, heute begeistern sie vor allem Taucher. Übrigens: im Winter, wenn das feuchte, ungemütliche Wetter die meisten Besucher abschreckt, zeigt sich Flores von einer anderen Seite. Dann hängen schwere Regenwolken in den Höhen der Insel und Regenbogen spannen sich über die Wiesen und Weiden, Seen und Klippen. Kein Wunder, dass man hier an Naturgeister glaubt…
Apropos Piraten: die Räuber zu See nutzten die isolierte Lage von Flores und ihrem kleinem Nachbarn Corvo, um sich hier vor Verfolgern zu verstecken. Vor allem Corvo, die kleinste und zugleich nördlichste Insel der Azoren, eignete sich hervorragend dafür. Noch nie war die Insel stark besiedelt, schon immer hielten ungebremste Naturgewalten in Form von Stürmen, Strudeln, Untiefen und starken Strömungen Menschen davon ab, einen Fuß auf dieses kleine Eiland zu setzen. Die Lage von Corvo ist übrigens für Sprachwissenschaftler von ganz besonderer Bedeutung: durch ihre Abgeschiedenheit ist hier ein Portugiesisch erhalten geblieben, das von vielen alten Worten durchsetzt ist und nirgendwo sonst gesprochen wird.
Tatsächlich ist die Insel mit nicht ganz 18 km² sehr klein und auch nur schwer per Kleinflugzeug oder Boot zu erreichen. Trotzdem lohnt sich aber ein Tagesausflug nach Corvo – eben weil die Insel so abgeschieden liegt. Wie auch Flores ist sie ein Paradies für Wanderer und Liebhaber üppiger Natur. Auf seinem Weg zum erloschenen Krater mit seinen zwei Seen oder auf der Caldeira begegnet jedem Wanderer mit Sicherheit das eine oder andere Rind. Was in Anbetracht der Tatsache, dass es hier mehr als doppelt so viele Rinder wie Menschen gibt, nicht weiter verwundert. Auch auf einige halbwilde Pferde auf den Kraterwiesen kann man treffen, was Assoziationen mit Island hervorruft.
Übrigens: wussten Sie schon, dass man sich früher zwischen Corvo und Flores mittels Rauchzeichen verständigte? Je nach Anzahl der Feuer wusste man auf der Blumeninsel, was beim Nachbarn benötigt wurde und schickte umgehend ein Boot mit den gewünschten Dingen hinüber.